Liebe Schwestern und Brüder,
Gibt es eigentlich kein anderes Thema mehr, stöhnen wir wahrscheinlich alle. Corona hat uns fest im Griff. Auch heute in meinem Weihnachtsgruß komme ich an diesem Thema nicht vorbei, weil das Leben mit Corona sich in einer vor einem Jahr noch unvorstellbaren Weise verändert hat. Wir alle haben neue Sorgen, neue Ängste und neue Lebensgewohnheiten entwickelt.
Für die Situation in der wir jetzt leben, fehlt uns der Bezugsrahmen. Wir haben neue Regeln. Wörter wie Maske, Quarantäne, Kontaktperson, die in unserem Sprachschatz keine Rolle spielten, sind plötzlich in aller Munde. Wahrscheinlich habe ich z.B. noch nie so oft wie jetzt das Wörtchen „eigentlich“ benutzt. Eigentlich hätte ich im Dezember mindestens 12 Adventsfeiern mitgestaltet, eigentlich hätte ich jetzt mindestens schon 40-mal in irgendeinem Laden oder im Autoradio „Last Christmas“ gehört, aber ich fahre kaum noch irgendwo hin und die meisten Läden, die ich sowieso eher gemieden habe, haben jetzt zu. Eigentlich würde ich in den nächsten Tagen an der Kirchentür 100te von Händen schütteln und persönlich frohe Weihnachten und ein gesegnetes Jahr 2021 wünschen. Eigentlich … Ich glaube Sie haben alle Ihre „Eigentlichs“ gerade in diesen Tagen, wo so viele liebe Rituale und Gewohnheiten fraglich geworden sind.
In all dem ist mir aber gerade in diesen Wochen noch ein anderes Wort wichtig geworden, das in unserem Wortschatz vollkommen unscheinbar ist. Es ist das „Und“.
Es ist Corona und wir haben es oft geschafft, trotz Masken miteinander im Kontakt zu bleiben.
Es ist Corona und wir haben gelernt, neu aufeinander Rücksicht zu nehmen.
Wir müssen Abstand halten und es gibt doch so viele Gesten, die Verbundenheit schaffen.
Es ist so vieles anders in Corona-Zeiten und trotzdem ist Weihnachten
Ich habe ein Lob des „Und“ von Richard Rohr gefunden, das ich mit Ihnen teilen will.
Das Lob des Und
Und schützt uns vor dem Entweder-oder
Und erlaubt uns sowohl als auch zu sein
Und lehrt uns ja zu sagen
Und lehrt uns geduldig und langmütig zu sein
Und erlaubt uns immer beide Seiten zu kritisieren
Und erlaubt uns immer beide Seiten zu würdigen.
Und ermöglicht uns um Vergebung zu bitten und uns zu entschuldigen
Und traut keiner Liebe, die nicht zugleich Gerechtigkeit ist
Und traut keiner Gerechtigkeit, die nicht zugleich Liebe ist.
Und ist der Weg der Barmherzigkeit
Und ist das Geheimnis der Trinität
„Und“ ist auch das Geheimnis der Schöpfung, füge ich hinzu. Im Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel lesen wir: Die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Aus seiner schöpferischen Liebe heraus wird Gott Mensch.
„Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt, dichtet Jochen Klepper in für ihn sehr dunkler Zeit. Ich vertraue fest darauf, dass wir in diesen Tagen mit dem „und“ unser Leben gestalten dürfen.
Wir sind verunsichert und besorgt und es ist Weihnachten und Gottes Licht leuchtet in uns.
Ich wünsche uns für die kommenden Weihnachtstage, wie auch immer wir sie feiern werden, und für das Jahr 2021 mit allem, was uns herausfordert, dass wir immer wieder dieses Lob des „Und“ in uns tragen. Herzlichen Dank für alle Verbundenheit. Bleiben Sie behütet und zuversichtlich.
Dekanin Ursula Brecht